Betriebsratsmitglied – Erstattung von Reisekosten
Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 16. Januar 2008 – 7 ABR 71/06
Nimmt ein Mitglied des Betriebsausschusses außerhalb seiner
Arbeitszeit an Sitzungen des Betriebsausschusses teil und muss er den
Betrieb ausschließlich deswegen aufsuchen, ist der Arbeitgeber
nach § 40 Abs. 1 BetrVG zur Erstattung der Reisekosten
verpflichtet, die dem Betriebsratsmitglied für die Fahrten von
seiner Wohnung zum Betrieb entstehen. Der Anspruch auf Erstattung der
Reisekosten hängt nicht davon ab, ob die Betriebsausschusssitzung
aus betriebsbedingten Gründen im Sinne von § 37 Abs. 3 BetrVG
außerhalb der Arbeitszeit des Betriebsausschussmitglieds
stattgefunden hat.
In der anliegenden Entscheidung befasst sich das BAG mit der Erstattung
von Reisekosten für die Teilnahme eines
Betriebsausschussmitgliedes an einer Betriebsausschusssitzung
außerhalb seiner Arbeitszeit. Das BAG hat entschieden, dass die
Teilnahme an der Sitzung erforderliche Betriebsratstätigkeit ist,
die Kosten dafür aber nur dann erstattet werden müssen, wenn
das Betriebsratsmitglied ohne die Sitzung den Betrieb nicht hätte
aufsuchen müssen.
I. Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Fahrtkosten, die
dem antragstellenden Betriebsausschussmitglied anlässlich der
Teilnahme an Betriebsausschusssitzungen außerhalb seiner
Arbeitszeit entstanden sind. Das teilzeitbeschäftigte
Betriebsausschussmitglied arbeitete mittwochs bis freitags. Nach einer
Entscheidung des Betriebsratsvorsitzenden fanden die Sitzungen montags
statt. Der Antragsteller fuhr jeden Montag von seinem Wohnort zur
Sitzung des Ausschusses zum Ort des Betriebes. Nachdem der Arbeitgeber
die Fahrtkosten zunächst erstattet hatte, verweigert er dies seit
März 2004.
II. Entscheidungsgründe
Der Arbeitgeber sei nach § 40 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, dem
Antragsteller die Fahrtkosten zu erstatten, die durch die Teilnahme an
den Betriebsausschusssitzungen entstandenen sind. Dabei handele es sich
für Mitglieder des Betriebsausschusses um erforderliche
Betriebsratstätigkeit. Dies gelte auch für solche Sitzungen,
die außerhalb der persönlichen Arbeitszeit eines Mitglieds
des Betriebsausschusses stattfinden. Zu den vom Arbeitgeber zu
erstattenden Kosten gehören auch Reisekosten. Den
Betriebsratsmitgliedern seien die Betriebsausschussmitglieder
gleichzustellen. Für Fahrtkosten aus Anlass von Fahrten zwischen
der Wohnung des Betriebsratsmitglieds und dem Betrieb gelte dies
allerdings nur, wenn das Betriebsratsmitglied ohne die konkret zu
erledigende Betriebsratstätigkeit den Betrieb nicht hätte
aufsuchen müssen.
Das Betriebsratsmitglied sei nicht gehalten, sich durch einen zu dieser
Zeit im Betrieb anwesendes Ersatzmitglied vertreten zu lassen. Die
Tatsache, dass das Betriebsratsmitglied von seinem Wohnort zum Betrieb
fahren müsse, um an den Sitzungen teilzunehmen, sei kein Grund zur
Annahme eines Verhinderungsfalls iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.
Der Anspruch auf Kostenerstattung hänge auch nicht davon ab, ob
die Betriebsratssitzung oder die Betriebsausschusssitzung aus
betriebsbedingten Gründen außerhalb der persönlichen
Arbeitszeit des Betriebsratsmitgliedes stattfindet. § 37 Abs. 3
BetrVG der auf dieses Kriterium abstellt, regele nicht die
Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für erforderliche
Betriebsratstätigkeit, sondern ausschließlich den Anspruch
auf Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit, die
außerhalb der persönlichen Arbeitzeit und damit während
der Freizeit des Betriebsratsmitglieds wahrzunehmen ist. Die
Kostentragungspflicht des Arbeitgebers sei damit allein in § 40
Abs. 1 BetrVG geregelt.
Zwar habe der Betriebsratsvorsitzende bei der Terminierung von
Sitzungen die Vorgaben des § 30 BetrVG zu beachten. Danach finden
die Sitzungen idR. während der Arbeitszeit statt. Halte er
sich nicht an diese Vorgaben, sei das Betriebsratsmitglied dennoch zur
Teilnahme verpflichtet, und die Teilnahme stelle eine erforderliche
Betriebsratstätigkeit dar.
III. Bewertung / Folgen der Entscheidung
Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass es auf die
Umstände des Einzelfalls ankommt, ob Kosten erstattet werden oder
nicht. Zunächst ist von Bedeutung, ob es sich um "erforderliche
Betriebsratstätigkeit" handelt. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff
wird von der Arbeitsgerichtsbarkeit weit ausgelegt. Eine gewisse und
richtige Einschränkung erfährt der Begriff "erforderliche
Betriebsratstätigkeit" durch das vom BAG angewandte Kriterium,
dass die Kosten allein durch die Betriebsratstätigkeit entstanden
sein müssen. Hätte der Arbeitnehmer im zu entscheidenden Fall
also ohnehin montags in den Betrieb fahren müssen, hätte er
seine Fahrtkosten selbst tragen müssen.
Die Entscheidung zeigt, dass die Regelungen im BetrVG keine
Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers
nehmen. Ansonsten müsste es dem Arbeitgeber möglich sein, auf
die Vertretung durch ein Ersatzmitglied zu bestehen, das ohnehin am Tag
der Betriebsausschusssitzung im Betrieb anwesend ist.
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